Welche Voraussetzungen müssen Bewerber mitbringen?

Die Anforderungen der Betriebe sind sehr unterschiedlich, deshalb hier nur meine persönlichen Anforderungen an Bewerber:
Kein besonderer Schulabschluss wird vorausgesetzt. Das heißt aber nicht, dass die Noten egal sind. Einem Abiturienten mit Vieren und Fünfen in Mathe und Physik helfen lauter Einsen in Religion, Kunst, Sport und Sprachen kein bisschen. Ein Hauptschulabschluss mit Durchschnitt drei kann für die Lehre ausreichend sein - wenn dem Bewerber klar ist, dass die Paukerei für die Schule in der Lehre weitergeht!

Konkret heißt das...
Für Tischler: Bewerber müssen außer lesen und schreiben (Ihr lacht? Ist nicht selbstverständlich!) gut kopfrechnen können. Der Dreisatz ist nicht das Ende der Fahnenstange. Räumliches Vorstellungsvermögen muss im Ansatz vorhanden sein, wird ohne Ende gebraucht und trainiert. Wer nicht im Team arbeiten kann, wird es in einer Werkstatt schwer haben. Wir stehen und gehen den ganzen Tag - wer Rückenpropbleme hat, braucht gar nicht erst anzufangen. Manchmal muss schweres Material bewegt werden, manchmal muss fest zugepackt werden. Für Vieles gibt es zwar mittlerweile Arbeitserleichterungen, Rollwagen etc., aber trotzdem ist ein gewisses Mindestmaß an körperlicher Belastbarkeit vonnöten. Auf Montage und in der Werkstatt geht es oft laut und staubig zu, das darf den Handwerker nicht schrecken. Trotzdem wird andererseits auch von den Lehrlingen erwartet, dass sie der Kundschaft gegenüber manierliche Umgangsformen haben und auf Sauberkeit achten!
Selbst in einer so bodenständigen Werkstatt wie der unseren gehört EDV zum Alltag: Die Kreissäge wird von Lehrlingen und Gesellen mit touchscreen programmiert, Zeichnungen und Stücklisten werden fast nur noch am PC erstellt. Die muss jeder aufrufen und lesen können!
Für Bürokaufleute: Bewerber müssen hier erst recht mit Sprache, Text und Zahl umgehen können. Unser Büro ist die Kommunikationszentrale - das bedeutet vor allem telefonieren, aber auch per mail Kontakt zu unseren Kunden und Lieferanten halten. Intern müssen die Aufträge verwaltet, die Produktion gesteuert werden. Und das Hauptwerkzeug ist immer der PC. Damit werden Kontakte und Aufträge verwaltet. Also kurz gefasst: Fähigkeit zu Kommunikation und Organisation sind die Voraussetzungen.

Fachlich wird nichts vorausgesetzt - Lehrlinge kommen zum Lernen in den Betrieb, nicht zum Können. Allerdings wird prinzipielles Interesse an Technik und Handwerk schon erwartet. Wer aus einer romantischen Träumerei heraus Meister Eder toll findet, aber nicht weiß, wie ein Hammer anzufassen ist, sollte doch vielleicht nochmal seinen Berufswunsch Tischler überdenken. Und wer Vorbehalte gegen PC-Arbeit und Nutzung des Internets hat, kommt in einem heutigen Büro nicht weit.

Ganz wichtig bei Tischlern: Auto-Führerschein wird vorausgesetzt! (Im Büro nicht unbedingt)

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Wann sollte ich mich bewerben?

Das Rennen um die Plätze, die für August eines jeden Jahres vergeben werden, beginnt manchmal schon im Herbst des Vorjahres. Aber kaum ein Meister legt sich schon so lange im Voraus fest. Viele entscheiden sich im Verlauf des Frühjahres, manche erst gegen Ende des Schuljahres. Da aber vor der Entscheidung mindestens ein Vorstellungsgespräch und zumeist auch ein kurzes Praktikum vereinbart wird, empfiehlt es sich, etwa sechs Monate vor Ausbildungsbeginn die Bewerbungen einzureichen. Wer erst zum Schuljahresende aufwacht, hat verschlafen.
In meinem Betrieb ist normalerweise die Zeit Oktober bis Dezember sinnvoll für eine Bewerbung.

Wie sollte meine Bewerbung aussehen?

Da sich die Bewerber um eine Stelle im Handwerk und nicht um eine Akademikerstelle bei einem Weltkonzern bewerben, muss die Bewerbung keine perfekt gestylte Hochglanzbroschüre sein. Ein Mindestmaß an Form sollte aber schon eingehalten werden. Außer einem persönlichen Anschreiben mit Foto gehört ein Lebenslauf sowie die jüngsten Schulzeugnisse zwingend dazu. Viel aufmerksamer als die Standard-Schulnoten wird aber jeder Meister die darüber hinaus gehenden Belege studieren wie etwa Praktikums-Zeugnisse oder Teilnahmebescheinigungen für Weiterbildungen, also alles "außer der Reihe".

Typische Fallen

Es muss ja nicht jeder die Fehler der Vorgänger wiederholen. Deshalb hier mal so ein paar typische Situationen, von denen man im Nachhinein sagt: Das hätt ich vorher wissen müssen!

Angenommen, es gäbe hier in Bonn einen Meister, nennen wir ihn Margarine, der sich durch die Regeln des Ausbildens sehr eingeengt fühlt. Meister Margarine will, dass seine Lehrlinge mehr Zeit im Betrieb verbringen. Er beschließt, zu Schuljahrsbeginn wieder eine Lehrstelle anzubieten, und sagt diese Stelle aus dem Kreis der Bewerber gleich dreien zu. Drei junge Leute beginnen nun Anfang August bei Meister Margarine die Ausbildung. Nach Ablauf der Probezeit kündigt Meister Margarine zweien von ihnen - er hat ja eigentlich nur eine Stelle zu vergeben. Rechtlich nicht anzufechten, Probezeit ist Probezeit. Dumm nur für die zwei, die gehen müssen, denn die finden nun nach Beginn des Lehrjahres so auf die Schnelle ziemlich sicher keine Ausbildungsstelle mehr.

Nun hat Meister Margarine einen Auszubildenden, er findet es aber nicht so doll, dass der ein oder zwei Tage pro Woche zur Schule soll, und von den mehrwöchigen Lehrgängen hält er auch nicht viel. Er will seinen Lehrling 5 Tage pro Woche für sich, schließlich zahlt er ja seine Ausbildungsvergütung (ja, das tut er!). So schließt er mit dem jungen Menschen einen Praktikantenvertrag für ein Jahr. Am Ende dieses ersten Jahres gibt er ihm dann einen regelrechten Ausbildungsvertrag und beantragt gleichzeitig die Verkürzung der Ausbildung auf zwei Jahre - wegen Vorwissens, angehäuft im 12monatigen Praktikum. Fein gemacht, ein Jahr volle Arbeitsleistung zum Lehrlohn bekommen, wie der Auszubildende die Theorie in der verkürzten Lehrzeit hinkriegt, ist seine Sache.

Meister Margarine ist ein real existierendes Beispiel. Er bewegt sich haarscharf an der Grenze des Legalen. Betriebsklima und Ausbildungsqualität sind entsprechend. Wie kann man sich vor einem solchen Reinfall schützen? Ohren offen halten: Von sich aus sagt selten jemand was, also fragen, Leute sprechen!


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